Zu Anfang diesen Jahres sprach Adam Szymczyk, der neue Chef der Documenta, in seinem ersten großen Interview zu seiner neuen Rolle über die Spaziergangswissenschaft: „Burckhardt […] beschäftigt mich im Moment viel. […] Er hat sich mit der Landschaft auseinandergesetzt, und seine Methoden sind sehr künstlerisch. Er hat die Spaziergangswissenschaft begründet, ihm ging es darum, die Umwelt bewusster wahrzunehmen und aus dem bloßen Sehen ein Erkennen werden zu lassen. Er verließ den Seminarraum, um sich bewegend der Wirklichkeit anzunähern, so wie das auf ihre Weise auch Richard Long oder Paweł Althamer gemacht haben. Und diese Ideen finde ich auch für meine Documenta interessant: dem gesetzten Rahmen zu entkommen und sich selbst zu verlieren.“ (DIE ZEIT, 27.12.2013 Nr. 01)
Vor wenigen Tagen wurde nun Hans Ulrich Obrist als Kurator für den Schweizer Pavillon der kommenden Venedig Biennale bekannt gegeben. Er will zur Architekturausstellung die Arbeiten von Lucius Burckhardt mit den Arbeiten des britischen Architekten Cedric Price zusammen bringen: „
At the center of the project will be the archives of drawings of Cedric and Lucius, of which different aspects will be revealed throughout the Biennale” (Obrist, zitiert bei ArtsBeat, 05.03.14). Schon 2000/2001 involvierte Obrist die Spaziergangswissenschaft in die Ausstellung „Mutations“ (centre d`architecture, Bordeaux). Damals gestaltete Lucius und Annemarie Burckhardt zusammen mit der Künstlergruppe alias – Atelier für Spaziergangsforschung die „Promenadologie à Bordeaux – Barbecue City“. Obrist verfolgt „Burckhardts Spaziergänge“ und insbesondere dessen Schriften also schon länger. Und wer sebst nachlesen will, welche Wegstrecken in den vergangenen zwei Jahrzehnten von Spaziergangsforschern in der Praxis zurückgelegt wurden, dem wird vom Kunstbulletin in dessen aktuellen Ausgabe der Band Spaziergangswissenschaft in Praxis empfohlen. Die Schriften von Burckhardt sind erhältlich bei Martin Schmitz Verlag und erfreuen sich anhaltender Nachfrage. Spannendes zur Spaziergangswissenschaft zu hören gibt es im Mai 2014 gleich bei zwei Veranstaltungen: Die Lucius Burckhardt Convention bringt acht Vortragende aus der Schweiz, Österreich, Italien und Deutschland zusammen, die sich intensiv mit dem Leben und Werk von Annemarie und Lucius Burckhardt beschäftigt haben oder deren Arbeit sich in einer gedanklichen Nähe befindet und zu einer Weiterentwicklung beiträgt. Ähnlich das Festival des Spazierens, das mit gemeinsamen Spaziergängen, Performances und Interventionen von Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz sowie Vorträge von internationalen Gästen die Ideen zur Spaziergangswissenschaft diskutieren und die Möglichkeiten des Spazierens als eine Methode zur Untersuchung von Raum reflektieren wird.
